Martin Böing SDB: Mein Weg in den Orden

Veröffentlicht am: 5. Juni 2025
Martin Böing - Porträtbild

Martin Böing

Ich bin am 28. Juli 1977 in Neuenkirchen bei Steinfurt geboren und in einem dörflich geprägten Umfeld mitten im Münsterland aufgewachsen. Nach meinem qualifizierten Hauptschulabschluss an der Don Bosco Hauptschule – hier hörte ich zum ersten Mal von dem Ordensgründer – machte ich an der Euregio-Gesamtschule das Abitur. Danach wollte ich studieren, so wie meine älteren Geschwister. 

Meine Familie ist katholisch, aber nicht besonders kirchennah. Zu besonderen Gelegenheiten wie Weihnachten oder Ostern besuchten wir den Gottesdienst. Ich ging zur Erstkommunion und zur Firmung, war Messdiener – einfach, weil meine Freunde das auch machten. Irgendwann habe ich mich vom Glauben entfernt. Der Tod meiner Großeltern zeigte mir, dass Beten nicht immer so hilft, wie ich als Kind gedacht hatte.

Nach dem Abitur leistete ich meinen Zivildienst in der individuellen Betreuung schwerstbehinderter Menschen. Langfristig konnte ich mir diese Arbeit jedoch nicht vorstellen – ich fühlte mich damals unterfordert. Stattdessen suchte ich nach einem Beruf mit gutem Verdienst und entschied mich schließlich für ein BWL-Studium. Nach zwei Semestern geriet ich in eine persönliche Krise. Immer deutlicher spürte ich, dass ich mich auf einem falschen Weg befand und keine Orientierung mehr hatte. Aus intellektuellem Interesse begann ich, mich mit Philosophie und Buddhismus auseinanderzusetzen. 

Eine neue Ausrichtung

Mit 23 Jahren zog ich einen klaren Schnitt: Ich brach mein Studium ab und arbeitete ein Jahr lang in der industriellen Fertigung. In dieser Zeit suchte ich nach Orientierung, und ich begann, mich wieder intensiver mit dem christlichen Glauben zu beschäftigen. Ich las theologische Bücher, besuchte regelmäßig – schließlich sogar täglich – den Gottesdienst und spürte dabei, dass mich etwas innerlich tief berührte.

Auf der Suche nach einem anderen Studienfach erinnerte ich mich an meinen Zivildienst im sozialen Bereich. Mit 24 Jahren schrieb ich mich schließlich für Erziehungswissenschaften in Bielefeld ein. Im Nebenfach belegte ich Psychologie, da mich das Zwischenmenschliche besonders interessierte. Im Hauptstudium wählte ich die Schwerpunkte Sozialarbeit, Sozialpädagogik sowie Pädagogische Diagnose und Beratung – und hatte damit endlich das Richtige für mich gefunden.

Gleich nach meinem Studium begann ich in der aufsuchenden Sozialarbeit und in einem Jugendzentrum zu arbeiten. Doch in meinem Kopf formte sich ein neuer Gedanke. Gegen Ende des Studiums hatte mich eine Freundin gefragt: „Was willst du eigentlich mal machen?“ Meine spontane Antwort war: „Ich möchte Priester werden.“ Die Idee ließ mich in meinem ersten Berufsjahr nicht los. Aber ich hatte große Hemmungen, wieder etwas ganz Neues zu beginnen.

Annäherung an den Orden

Nachdem ich bereits einmal ein Studium abgebrochen hatte, wollte ich keinen Fehler mehr machen und ließ mir Zeit für die Entscheidung, die dann doch unausweichlich wurde. Nach knapp zwei Jahren Berufspraxis ging ich ins Priesterseminar und studierte an der Universität Theologie. Während der nächsten fünf Jahre lernte ich auch verschiedene Ordensgemeinschaften kennen: Benediktiner, Salesianer und die Jesuiten.

Zwei Ordensbrüder und eine Frau als Sternsinger

Sternsingen bei Don Bosco Sachsen

Was mich bei der Ordensgemeinschaft der Salesianer Don Boscos am meisten begeistert hat, ist die Verbindung von Theologie und Pädagogik – und das fröhliche, leichte und positive Menschenbild, das dort gelebt wird. Für mich fühlt sich das stimmig und lebendig an. Während meines Gemeindejahres 2015 reifte in mir der Entschluss, den Orden näher kennenzulernen. Im Januar 2016 ging ich nach Sannerz, wo es ein großes Jugendhilfezentrum der Salesianer gibt. Dort arbeitete ich zweieinhalb Jahre als Erzieher in den Wohngruppen – ganz bewusst in der Rolle eines pädagogischen Mitarbeiters. 

Ich wollte mit einem gewissen Abstand prüfen, ob die Lebensform der Salesianer mein Weg sein könnte. Ein Jahr hatte ich mir ursprünglich Zeit lassen wollen, es wurden aber mehr, weil mir die Entscheidung nicht leichtfiel. Die großen Schritte auf meinem Berufungsweg sind immer mit einem Ringen verbunden gewesen. Ich habe aber auch erfahren, wie Gott wirkt und mich begleitet.

Ist das wirklich mein Weg?

Aus meiner Beziehung zu Christus schöpfe ich Kraft. Sie gibt mir den Mut, Entscheidungen zu treffen – auch wenn das bedeutet, vertraute Wege loszulassen. Meine Geschwister leben mit ihren Familien, mit all den Höhen und Tiefen, ein erfülltes Leben. Ich selbst verzichte auf eine eigene Familie und spüre umso mehr die Verantwortung, meine Entscheidungen bewusst zu treffen. Deshalb frage ich mich bei jedem Schritt: Ist das wirklich mein Weg? Wo werde ich lebendig? Wo kann ich für andere da sein? Wo finde ich Freiheit und Freude? Diese Fragen leiten mich.

Im Frühjahr 2018 begann ich in Sannerz parallel zu meiner Arbeit das Aspirantat und das Vornoviziat, zog bei den Ordensbrüdern ein und lebte etwa fünf Monate in der Gemeinschaft mit. Im Herbst 2018 wechselte ich ins Noviziat nach Pinerolo. Mein Noviziat führte mich von Pinerolo in Italien zum Colle Don Bosco, wo ich im Jahr 2019 meine erste Profess an diesem historischen Ort ablegte – dem Geburtsort des heiligen Johannes Bosco.

Nach dem Noviziat hatte ich kurze Stationen in Benediktbeuern und Sannerz, bevor ich zu Don Bosco Sachsen nach Chemnitz wechselte. Seitdem arbeite ich in Burgstädt und Hartmannsdorf im sozialpädagogischen Team und begleite Jugendliche in herausfordernden Lebenssituationen – etwa durch erlebnispädagogische Gruppenangebote, Bewerbungstrainings und Einzelfallhilfe. 

Aus vollem Herzen für junge Menschen

 Mitarbeiter Martin Böing mit Brot aus der hauseigenen Bäckerei für Foodsharing

Mitarbeiter und Foodsharer Martin Böing mit Brot aus der hauseigenen Bäckerei 

Don Bosco Sachsen unterstützt junge Menschen umfassend auf ihrem Weg in den Beruf. Neben der fachlichen Ausbildung und der Möglichkeit, Schulabschlüsse nachzuholen, erhalten sie auch soziale Begleitung, um bestmöglich auf das Leben und den Arbeitsmarkt vorbereitet zu sein. Die Jugendarbeit lässt mich aufleben und ich schätze den ganzheitlichen Ansatz Don Boscos.

Ein bekannter Satz von ihm hat mich besonders geprägt: „Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen.“ Das klingt leicht, hat aber Tiefe. Für mich bedeutet das, dankbar zu sein, einen positiven Blick auf die Welt und die Jugendlichen zu haben, gelassen zu bleiben und gut zu denken – über mich selbst und andere. Diese Haltung versuche ich als Ordensmann, der nah an den Menschen ist, zu vermitteln. Ich glaube, dass wir Jugendliche so ermutigen können, anders auf sich selbst zu schauen.

Als Ordensmann in der Diaspora

Wir leben hier in einer Region mit nur etwa 12 Prozent Christen. Einmal fragte ich einen Jugendlichen, ob er gläubig sei. Er schaute mich an und sagte ganz trocken: „Nee, ich bin normal.“ – Wir mussten beide lachen. Solche Momente nehme ich gerne auf, um auf spielerische Weise ins Gespräch zu kommen. 

Martin Böing steht vor zwei Priestern und spricht ins Mikrofon

Martin Böing bei seiner Ewigen Profess

Oft versuche ich, die Jugendlichen philosophisch zu erreichen und ihr kindliches Staunen an der Welt zu wecken. Die theologischen Gespräche mit meinen Mitbrüdern geben mir dabei Kraft und Orientierung. Wir wohnen zu viert in einer Kommunität. Jeder von uns hat andere Aufgaben und einen eigenen Alltag, aber wir begegnen uns regelmäßig – bei Filmabenden, zum Essen, zum Gebet oder im Gottesdienst.

Gerade habe ich meine Ewige Profess abgelegt und dabei Gehorsam, Armut und Ehelosigkeit gelobt. Damit bin ich nun für immer mit dem Don Bosco Orden verbunden. Wie mein Weg weitergeht, weiß ich derzeit noch nicht genau. In Chemnitz warten noch Aufgaben und Projekte auf mich. Irgendwann werde ich sicher an einen anderen Standort wechseln, neue Menschen kennenlernen, neue Herausforderungen annehmen. Ich schätze solche Veränderungen auf meinem Weg – aber ich gehe jeden Schritt mit Bedacht.