Erfahrungsbericht Pater Albert Krottenthaler SDB
Als ich gebeten wurde, von meinem Berufungsweg zu erzählen, bin ich mit dem Fahrrad an meinen Lieblingssee gefahren, um in Ruhe über mein Leben nachzudenken. Ich bin 67 Jahre alt – auch wenn ich mich jünger fühle - und mit 30 in den Salesianerorden eingetreten. Dabei hatte ich eigentlich ganz andere Pläne…
Als Kind bin ich mit drei Geschwistern in einem alten Bauernhaus in der Oberpfalz aufgewachsen. Der Stall war im Wohnhaus integriert und ich sehe meine Mutter noch auf dem Melkschemel sitzen. Wir erlebten eine typische Kindheit im dörflich-katholischen Umfeld. Auf der einen Seite hatten wir sehr viel Spielraum, tobten ausgelassen mit Freunden durch die Natur. Auf der anderen Seite gab es strenge Regeln und die Erwartung, dass wir auf dem Hof mit anpackten.
Schon früh hatte der Pfarrer der Gemeinde mich für eine Kirchenlaufbahn im Blick. Meine Eltern waren von der Idee angetan und so kam ich in ein kirchliches Internat und ging auf das Albertus-Magnus-Gymnasium in Regensburg - durchaus mit gemischten Gefühlen. Über die vielen Angebote freute ich mich, spielte Fußball, begann Klavier und Geige zu lernen, hatte aber auch Heimweh und empfand eine gewisse Enge. In einen Orden zu gehen oder gar Priester zu werden, konnte ich mir zu dieser Zeit nicht vorstellen.
Studium und erste Beziehung
Nach dem Abitur und der Bundeswehrzeit entschied ich mich, Religionspädagogik zu studieren, mit dem Ziel, Gemeindereferent zu werden. Das Studium machte mir Spaß. Ich verliebte mich in eine Kommilitonin und lebte mit ihr in einer festen Beziehung. Es war eine unbeschwerte Zeit, die jedoch bald zu Ende ging, als ich meine erste Stelle bei einem sehr konservativen Pfarrer antrat.
Er hatte sich einen Kaplan gewünscht, aber „nur“ mich, einen Gemeindereferenten, bekommen. Seine Erwartungen und meine Vorstellungen klafften weit auseinander. Meine Freundin litt darunter, dass ich die Freude am Beruf verlor und noch dazu wenig Zeit für sie hatte. Das Ende der Beziehung und die berufliche Sackgasse stürzten mich in eine persönliche Krise. Ich kündigte meine Stelle beim Bistum Regensburg. In der Zeit danach kam ich mir recht verloren vor, ohne Freundin, ohne Beruf und ohne festen Plan.
Während mein Vater die Hände über dem Kopf zusammenschlug, suchte ich mir Jobs zum Geldverdienen und arbeitete auf dem Bau. Einige Wochen verbrachte ich bei den Benediktinern in Neresheim, um Klarheit für meinen weiteren Lebensweg zu erlangen. In dieser Zeit verspürte ich zum ersten Mal eine gewisse Offenheit für eine Ordensberufung. Ein Bekannter brachte mich auf die Salesianer Don Boscos. Ich fühlte mich angesprochen, als ich im Ordensprofil las, dass eine Begabung für die Kinder- und Jugendarbeit sowie musische und sportliche Fähigkeiten bei den Salesianern gefragt sind.
Suchen und finden
In dieser Zeit der intensiven Suche, gab es einen spirituellen Moment, an den ich mich gut erinnere. Eigentlich hatte ich, wie so oft, meine ältere Schwester um Rat bitten wollen. Dann aber entschied ich, mich direkt an Gott zu wenden. Ich setzte mich auf einen Hocker, betrachtete mein Franziskuskreuz und ließ Jesus reden. Und während ich so dasaß, spürte ich plötzlich eine Bestätigung, dass ich auf dem richtigen Weg war.
Ich traf mich mit dem Beauftragten für Berufungspastoral bei den Salesianern Don Boscos. In diesem Gespräch hatte ich endlich das Gefühl, festen Boden betreten zu haben. Er warb nicht für den Orden oder eine Ordensberufung, sondern bestärkte mich in meinem Vertrauen, mich von Gott führen zu lassen. Das tat mir gut. Als ich hörte, dass die Salesianer Don Boscos in Beromünster in der Schweiz einen Erzieher suchten, bewarb ich mich, bekam die Stelle und fand einen guten Kontakt zu den Brüdern.
Die lebendige Gemeinschaft dort überzeugte mich, dass auch ich gut in die Ordensgemeinschaft passen würde. Und so trat ich 1985 mit 18 anderen Männern ins Noviziat in Jünkerath ein. Gut erinnere ich mich noch an unsere Profess am Ende dieses Jahres. Gemeinsam standen wir in einer verschworenen Runde, wie eine Fußballmannschaft vor dem Elfmeterschießen. Einer nach dem anderen löste sich, um Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit zu versprechen.
Mein Weg führte mich weiter zum Theologiestudium nach Benediktbeuern. Während wir als Novizen ziemlich abgeschottet gelebt hatten, saßen wir nun mit vielen Studentinnen im Hörsaal. Es waren attraktive, gebildete Frauen und die Auseinandersetzung mit dem Gelübde der Ehelosigkeit begann für viele von uns nochmal von vorne. Mein bester Freund verliebte sich und entschied nach zwei Jahren des Ringens den Orden zu verlassen und zu heiraten. Das war sehr schmerzlich für mich.
Eine Phase der Unsicherheit
Auch ich erlebte nochmal eine Phase der Unsicherheit, bevor ich im Orden endgültig meine Heimat fand. Ich stand vor der Priesterweihe und diese Lebensentscheidung schien mir mit einem Mal so groß. Zweifel, die ich ernst nahm. Ich durfte mich in eine Mitlebegemeinschaft für Ordensleute in der Krise zurückziehen. Ein verheirateter Therapeut begleitete mich geduldig. Nach vier Monaten hatte ich meine Sicherheit wiedererlangt und konnte meine Priesterweihe aus vollem Herzen empfangen. Zwei Jahre verbrachte ich dann als Kaplan in München.
Es ist wichtig, Begleiter zu haben, die einem auf diesem Weg zur Seite stehen. Als Salesianer verzichtet man auf eine eigene Familie. Trotzdem gibt es im Orden Menschen, die mir sehr nahestehen und mit denen ich über alles reden kann. Ich habe gute Freunde, die ich jederzeit anrufen kann, wenn es brennt. Im Orden in der Gemeinschaft leben zu können, ist für mich ein großes Geschenk. Aber wie in jeder Beziehung ist es angesichts unterschiedlicher Persönlichkeiten und verschiedener Einsatzbereiche der Mitbrüder auch eine Aufgabe.
Ein großer Wunsch erfüllte sich, als ich 1997 in die neuen Bundesländer versetzt wurde, um Mitbrüder bei deren Aufbauarbeit zu unterstützen und mit jungen Menschen zu arbeiten. Ich empfand es wie eine Berufung in der Berufung. Seither habe ich hauptsächlich in Chemnitz und zwischendurch auch in Berlin-Marzahn gelebt. Seit 2017 bin ich wieder in Sachsen als Direktor für die vierköpfige Mitbrüdergemeinschaft. Nach Jahren in einer Leitungsfunktion mit vielen Mitarbeitenden, habe ich vor einiger Zeit Verantwortung abgegeben und bin nun Pastoralbeauftragter in unseren Einrichtungen.
Fußball, Theater und Zirkus
Die direkte Arbeit mit Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen erfüllt mich immer noch: Fußball im Innenhof, Theater spielen, Beziehungsangebote machen. Mit unserem Kinder- und Jugendzirkus „Birkino“, habe ich mir einen Traum erfüllt. Zu Beginn sind wir mit einem Bollerwagen herumgezogen und haben unsere Kunst zum Besten gegeben. In diesem Jahr feierte er sein 20-jähriges Jubiläum.
Die Arbeit mit jungen Menschen, besonders jenen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, hat mich geprägt. Marie von Ebner-Eschenbach schrieb einmal: „Die Menschen, denen wir eine Stütze sind, die geben uns den Halt im Leben.“ Das habe ich oft gespürt. Ich erinnere mich an ein zehnjähriges Mädchen, das mir mal an den Kopf knallte: „Dir geht es ja nur um Regeln und nicht um mich!“ Eine riesige Botschaft, die mich verändert hat. Wie ein Engel, der kurz vorbeikam und wieder ging.
Ich habe auf meinem Weg der Berufung gelernt, darauf zu vertrauen, dass da noch jemand mitwirkt. Jemand, der will, dass ich ein Leben in Fülle führe. Es ist keine einsame Suche, sondern eine dialogische. Gott hat einen Plan, aber ich darf wählen, was mir liegt und was zu mir passt. Es darf Umwege geben, es darf Zweifel geben. Und es ist wichtig, auf sich zu hören und auszuhalten, wenn es mal langsamer geht, denn auf diese Weise kommt man an.
Zur Info
Pater Albert Krottenthaler ist Pastoralbeauftragter bei Don Bosco Sachsen. Seit 2023 vereint sich darunter das Don Bosco Jugend-Werk und das Don Bosco Haus in Chemnitz. Träger ist die Deutsche Provinz der Salesianer Don Boscos. Zu den Angeboten gehören Einrichtungen der Jugendhilfe, berufliche Rehabilitation, eine Berufsschule und ein Jugendtreff. Daneben engagiert sich Don Bosco Sachsen in der Schulsozialarbeit und Inklusionsassistenz.